Von Robert Wall
LONDON (Dow Jones)--Der Chef des europäischen Flugzeugbauers Airbus, Tom Enders, hat der Regierung von Donald Trump Protektionismus vorgeworfen. Gleichzeitig kritisierte Enders den US-Konkurrenten Boeing dafür, die aktuelle nationale Stimmung in den USA auszunutzen.
Bei einer Veranstaltung des britischen Verbandes des Luft- und Raumfahrtbranche am Montagabend in London sagte Enders, die USA würden "nicht mehr für den Freihandel kämpfen". Stattdessen ergreife die Trump-Regierung Maßnahmen, um den US-Markt für ausländische Konkurrenten zu schließen.
Das Büro des U.S. Handelsdelegierten hatte im vergangenen Jahr erklärt, die Regierung werde "US-Handelsgesetze aggressiv durchsetzen und amerikanische Arbeiter vor schädlichen Handelsbarrieren schützen, um freien und fairen Handel zu fördern, der allen Amerikanern zugutekommt".
Airbus baut seine Flugzeuge in Frankreich, Deutschland, China und den USA.
Vor allem ausländische Politiker und Führungskräfte betrachten Washingtons neue "America First"-Haltung mit Argwohn. Laut Kritikern ist die Politik eine radikale Abkehr von der Handelspolitik früherer US-Regierungen, die den internationalen Handel eher befördert haben.
Kurfristige Vorteile zum langfristigen Schaden?
Enders, der sein Amt im kommenden Jahr niederlegt, kritisiert zudem Boeing. Der nach Lieferzahlen weltgrößte Flugzeugbauer surfe "rücksichtslos auf dieser 'America First'-Welle". Der in Chicago beheimatete Konkurrent habe die protektionistische Stimmung ausgenutzt und Maßnahmen ergriffen, die kurzfristige Vorteile haben könnten, aber ein Risiko für transatlantische Industriebeziehungen darstellten. Enders bezeichnete Boeings Maßnahmen gar als selbstzerstörerisch.
Boeing hielt dagegen, der Konzern glaube "an starken Wettbewerb, regelbasierten Handel und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle in der Branche". Wettbewerber müssten sich an die Handelsregeln halten. Wer dies nicht tue, sei derjenige, der die Vorteile ausnutze und der gesamten Industrie schade.
Die globale Verkehrsflugzeugbranche hat sich zu einem Spannungsfeld um Trumps Handelsposition entwickelt. Boeing warf dem kanadischen Flugzeughersteller Bombardier vor, sein neues CSeries-Flugzeug im vergangenen Jahr unter dem Selbstkostenpreis an Delta Air Lines verkauft zu haben. Delta stärkte Bombardier den Rücken und argumentierte, Boeing habe kein konkurrenzfähiges Flugzeug anbieten können.
Das US-Handelsministerium sprang wiederum Boeing bei und kündigte an, die CSeries-Maschinen mit Zöllen zu belegen, die den Preise für die Bombardier-Jets vervierfachen würden.
Mitten in diesem Scharmützel hatte Airbus im vergangenen Jahr die Mehrheit an dem CSeries-Programm übernommen und arbeitet nun mit Bombardier zusammen. Airbus will nun Flugzeuge, die von US-Fluggesellschaften bestellt wurden, in seinem Werk in Mobile im US-Bundesstaat Alabama zu fertigen, um die Zölle zu umgehen.
Die Entscheidung über die Einführung der Zölle hängt nun von der Internationalen Handelskommission der USA ab. Sie muss in den kommenden Wochen entscheiden, ob Boeing durch Bombardier geschädigt wurde.
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January 16, 2018 03:10 ET (08:10 GMT)
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